Das Ende der Ungleichheit

Mein Name ist Zinar Rojhilat, ich bin 23 Jahre alt und kommen aus dem Iran. Jeder ist sich der großen Probleme mit Staat, Politik und Religion im Iran bewusst. Wir leben als Kurden und Sunniten in einer Minderheit. Die meisten Menschen im Iran sind Schiiten, sie wollen keine Sunniten im Iran.

Ich hatte Probleme aus religiösen und politischen Gründen. Ich studierte im Iran und wollte gerne in der Uni arbeiten, sie sagten mir, dass sie mir als Sunnitischer Kurde keine Arbeit geben können. Nur Perser, Schiiten bekamen eine Arbeit. Ich studierte drei Jahre Insektenkunde, danach wollte ich gerne in die Forschung oder etwas im Bereich Insektenkunde machen. Mit mir war eine Person im Studium, er studierte etwas ganz anderes, im letzten Semester kam er dann dazu. Sein Vater war auch Entomologe. Er bekam nach seinem Studium eine Arbeit, obwohl er nur ein Jahr studierte. Ich studierte drei Jahre und bekam keine Arbeit. Er war Iraner, Schiit. Ich war Kurde und Sunnit.

Im Iran funktionierte nichts ohne Beziehungen. Meine Arbeit hing von der Unterschrift einer Person ab, er fragte mich alles, außer dem, was ich kann. Als er erfuhr dass ich Sunnit bin und mein Großvater bei der Peschmerga, einer kurdischen Freiheitsbewegung war, warf er mir das vor. Ich hatte nichts damit zu tun, mein Großvater wollte nur seine Familie beschützen. Ich bekam nie eine Antwort von ihm. Das Gespräch fand kurz vor meinem Abschluss statt, ich brach die Uni ab, eine Arbeit bekäme ich sowieso nicht. Sie nahmen mir die Hoffnung.

Ich musste den Iran aus politischen und religiösen Gründen verlassen. Ich war in Lebensgefahr. In 2015 floh ich in die Türkei. Nach sechs Tagen nahm ich das Schlauchboot nach Griechenland. Wir waren siebzig Leute im Boot, es war nicht länger als drei Meter und nicht breiter als acht Meter. Da waren Kinder im Boot bei uns, sie mussten sich zwischen den Passagieren quetschen. Drei Stunden fuhren wir auf dem Wasser. Sie weinten, ich konnte es nicht ertragen und nahm zwei Kinder auf meinem Schoß. Ich spielte mit ihnen, bis wir in Griechenland ankamen.

Wir mussten mehr als dreißig Tage an der griechisch-mazedonischen Grenze warten, da die Grenze nur für Syrer, Afghanen und Iraker geöffnet war. Irgendwann hatten wir Glück und überquerten die Grenze. In Mazedonien erhielten wir ein Dokument, mit dem wir nach Serbien gingen. Wir fuhren einen Viehtransporter, es war schrecklich. In Serbien haben wir ein weiteres Dokument bekommen, wir haben auf den Zug gewartet. Wir sind wieder mit einem Viehwagen nach Kroatien gefahren, es war eine sehr lange Fahrt. Wir haben den ganzen Weg gestanden. Ich konnte es ertragen, Frauen und ältere Menschen zu sehen, ohne ihnen helfen zu können. Ich konnte es kaum ertragen.

Die Fahrt von Kroatien nach Österreich war schon besser. Die Polizisten waren netter und die Züge, richtige Züge. Keine Viehwagons. Wir kamen in Österreich an, dort warteten wir drei Stunden. Wir bekamen Wartenummern, als wir aufgerufen wurden fragten sie uns wohin wir wollten. Ich wollte nach Schweden. Wir stiegen in einen Bus, an der deutschen Grenzen hielten Polizisten uns an. Sie brachten uns in ein Gebäude. Wir wurden entkleidet, kontrolliert und untersucht. Es war nicht weiter schlimm. Nach zwei Tagen gaben sie uns die Adresse eines Heims. Wir fuhren zum Heim.

Wir kamen am Heim an und gaben ein Dokument ab. Im Heim fragten sie uns, ob wir in Deutschland bleiben wollten. Ich und mein Freund sagten, dass wir in die Schweiz und nach Schweden möchten. Sie sagten uns, wenn wir nicht bleiben möchten, können sie uns nicht aufnehmen. Es war mitten in der Nacht, im Winter, es war sehr kalt. Wir fragten ihn, was wir machen können, er sagte uns, es sei unser Problem. Wir durften nur bleiben, wenn wir in Deutschland bleiben wollten.

Wir gingen zu einer Haltestelle, wir blieben eine halbe Stunde dort, bis wir dann von Kontrolleuren weggeschickt wurden. Wir mussten wieder in die Kälte raus. Wir blieben draußen und warteten bis der erste Zug kam. Wir konnten weder sitzen noch schlafen, wir waren müde und konnten nichts tun. Es schneite.

Der erste Zug kam an, wir fuhren zum Münchner Hauptbahnhof. Ich rief meinen Onkel an und sagte ihm, ich sei in Deutschland. Ich sagte ihm, dass ich nichts tun könne, dass es sehr kalt sei und wenn es so bleibt, würde ich mich lieber umbringen. Ich war erschöpft und stieß an meine Grenzen. Mein Onkel rief einen Freund aus München an, um mich anzurufen und am Bahnhof abzuholen. Er rief mich an, ich wartete sechs Stunden am Bahnhof, bis er mich abholte. Er kam und wir gingen zu seinem Haus. Ich blieb ein paar Tage dort. Mein Cousin war auch auf dem Weg nach Deutschland, nachdem ich vier Tage in München war, rief er mich an und sagte mir, er sei angekommen.

Er hatte wirklich Glück, er kam nach Hamburg in ein schönes Wohnheim. Ich verabredete mich mit ihm für den nächsten Tag in Hamburg. Ich fuhr nach Hamburg und wir trafen uns dort. Wir kauften ein Ticket nach Dänemark. Mein Onkel bestellte es für uns im Internet, man hätte es ausdrucken müssen aber das wussten wir nicht. Im Zug in Richtung Dänemark wurden wir kontrolliert. Ich zeigte den Kontrolleuren den Barcode, er sagte mir, dass es nicht reicht. Die Polizei kam und brachte uns zum Revier. Wir wurden kontrolliert.

Mein Cousin wurde wieder ins Wohnheim gebracht, ich musste wieder nach München zurück. Die Fahrt zahlte ich selber von meinen letzten 40€. Ich wartete sieben Stunden bis der Zug kam, es war schrecklich. Wieder einmal musste ich warten. Ich sagte, ich gehe zurück in den Iran, mir fehlte die Kraft für noch mehr Belastungen. Ich war sehr müde. Im Iran würde ich große Probleme kriegen, das nahm ich in Kauf. Ich hatte schwarze Fingernägel, ich war wütend weil ich nicht verstehen konnte, wieso es so gelaufen ist, ich war sauer, weil mir die Sprache fehlte um zu sprechen.

Ich rief meinen Onkel an, er sagte mir ich soll mein Cousin holen, er würde wieder Geld schicken damit wir nach Dänemark fahren. Nach zwei Stunden, sah ich einen dunkelhaarigen Mann am Bahnhof. Ich sprach ihn an und es stellte sich heraus, dass er auch Kurde war. Er hörte sich meine Geschichte an, er hatte ein Schiffticket, mit dem ich bis nach Dänemark käme. Ohne Probleme, ohne Kontrolle. Es war wie ein Traum für mich. Als ich meinen Onkel wieder anrief, sagte er mir ich könne ruhig fahren. Aber ich konnte nicht. Mein Cousin war noch jung und er brauchte mich. Ich sagte dem Kurden, dass ich leider nicht fahren könne.

Er sagte mir, dass er mit dem Auto nach Hamburg fuhr und ich gerne mitkommen könne, das tat ich auch. Die Fahrt dauerte ca. drei Stunden, als ich ankam rief ich meinen Onkel an. Er sagte mir er habe einen Freund in Düsseldorf zu dem ich fahren könne. Ich hatte kein Geld mehr für ein Ticket, ich musste schwarzfahren. Auf der Fahrt wurde ich kontrolliert und musste aussteigen. Nach einer Stunde kam wieder ein Zug, ich stieg ein. Auch diesmal wurde ich kontrolliert, ich bekam einen Zettel und durfte sitzenbleiben. Ein Freund meines Onkels holte mich in Düsseldorf ab. Bei ihm zu Hause rief ich meinen Cousin an.

Ihm ging es gut dort wo er war. Er hatte ein eigenes Zimmer. Ich sagte ihm, er solle nach Düsseldorf kommen wenn er möchte und dass ich nicht nach Schweden fahre sondern in Deutschland bleibe. Ich hatte keine Kraft mehr um weiter zu reisen. Er wollte auch bleiben, mit mir zusammen. Nach drei Tagen kam er nach Düsseldorf. Eine Nacht bevor wir uns in einem Camp registrierten wollten, wachte ich auf um etwas zu trinken. Mir wurde sehr schwindelig und ich fiel auf den Boden. Ich wurde bewusstlos, als ich aufwachte fühle ich meinen Arm nicht mehr. Ich dachte, er wäre gebrochen. Nach einer Zeit ging es wieder, aber durch die starken Schmerzen konnte ich nicht schlafen. Als mich mein Cousin und der Freund meines Onkels so sahen, riefen sie den Krankenwagen. Im Krankenhaus kontrollierten sie mich, ich hatte nichts, sagten sie mir.

Wir registrierten uns im Camp, ich nahm starke Schmerztabletten. Irgendwann wurde es besser. Wir blieben zwei Monate im Camp, dann kamen wir nach Köln Ostheim in ein Camp. Es war grade Karneval in Köln, wir hatten so etwas nie zuvor gesehen. Wir gingen zum Hauptbahnhof, um uns die Menschen anzusehen. Nach zehn Minuten wurden wir von Polizisten angehalten. Wir mussten uns an eine Wand stellen, während sie unsere Papiere kontrollierten. Wir schämten uns und schauten deshalb nur auf den Boden. Ich fühlte mich, wie ein Terrorist. Mit meinen Papieren war alles in Ordnung, doch bei meinem Cousin gab es ein Problem. Ich verstand nicht, deshalb rief ich einen Iranischen Arzt an, der am Telefon übersetzte. Er löste das Problem. Bis heute weiß ich nicht genau was es war.Nach diesem Vorfall verließen wir das Camp nicht mehr. Nach zehn Tagen beruhigten wir uns und haben verstanden, dass die Polizei nur unser Land beschützen wollte. Nach einem Jahr erhielt ich einen Brief vom BAMF, ich durfte mich an einem Deutschkurs anmelden. Kurze Zeit später wurde ich auch zur Anhörung eingeladen. Bei der Anhörung stellen sie mir Fragen. Wir waren fünfzig Personen, die auf ihre Anhörung warteten. Alle bekamen am nächsten Tag ihren Ausweis mit dem Aufenthalt für sechs Monate. Ich leider nicht, ich sollte ich zwei Wochen nochmal kommen. Als ich das tat, sagte man mir, ich solle in einer Woche kommen. Diesmal bekam ich den Aufenthalt endlich.

Ich ging in den Deutschkurs und hatte bald mein zweites Interview. Wieder erzählte ich meine Geschichte, den Grund meiner Flucht und allem was geschah. Ich bekam Aufenthalt für drei Jahre. Jetzt lebe ich hier und alles ist normal. Ich möchte gerne den B2 Sprachkurs machen, dann weiter zum C1 Sprachkurs und anschließend möchte ich gerne eine Ausbildung machen. Ich habe keine Zeit zu studieren. Es geht nicht nur um mich, ich denke an meine Familie, ich bin der Älteste und muss sie versorgen. Ich trage die Verantwortung für meine Familie.

Im Iran war es mein Traum, Medizin zu studieren, aber ich konnte es nicht wegen meiner Herkunft und meiner Religion. Mir fehlte auch das Geld, denn mit dem was ich verdiente, musste ich meinem Vater helfen. Ich träume nicht für mich, mein großer Traum ist es, anderen Menschen zu helfen und etwas Gutes für sie zu machen. Es kann sein, dass ich wenig biete, aber wenn ich nur einem der keine Beine hat, beim Laufen helfe, ist es schon eine große Sache. Meine Wünsche, ich möchte nichts für mich, ich möchte gerne den Menschen helfen. Das ist mein großer Traum, dass ich für die anderen Menschen etwas mache.

Ich habe immer alles für andere getan, ich habe für meine Familie studiert, für meine Familie gearbeitet. Ich möchte nur Menschen helfen. Ich wünsche mir, dass es mehr Menschen gibt, die helfen wollen, ich wünsche, dass wir zusammenhalten, weil eine Hand allein nicht klatschen kann. Nur zusammen können wir es schaffen. "Wir" bedeutet uns alle. Als ich meine Geschichte erzählte, fühlte ich mich zurück in diese Zeit. Ich könnte den Menschen viel mehr erzählen, aber es würde mehr Zeit in Anspruch nehmen. Im Iran ist ein großes Problem, dass wir nicht sprechen können, wir dürfen nicht unsere Meinung sagen, wir müssen unsere Ideen und unser Denken mit anderen Menschen teilen. Wir brauchen das. Es ist auch mein Wunsch, dass alle Kinder die gleichen Chancen haben.

Name des Geschichtenerzählers: Zinar Rojhilat
Name des Interviewers: Sarah El Desoke
Herkunftsland: Iran
Geschlecht: m
Alter: 23

Dublin Core: Sprache: de Thema: Flüchtling, Asyl, Iran, Deutschland, eine Million Geschichten